„Digitale soziale Arbeit ist viel mehr als digitale Kommunikation“

Interview mit Sabine Depew zum Barcamp Soziale Arbeit

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Am 28. und 29. November werden die Diözesan-Caritasverbände aus Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn, organisatorisch unterstützt durch Bonn.digital, ein Barcamp ausrichten, das sich thematisch um Fragen der sozialen Arbeit in Verbindung mit der Digitalisierung befasst. Was es genau damit auf sich hat, warum sich die Caritas auf diese Weise engagiert und was nach dem Barcamp passieren wird, habe ich Sabine Depew gefragt.

Johannes Mirus: Was bedeutet der digitale Wandel für die soziale Arbeit?

Sabine Depew: Viele Beschäftigte in der sozialen Arbeit setzen soziale Netzwerke gleich mit Digitalisierung der sozialen Arbeit. Und überlassen diese gerne den Öffentlichkeitsarbeitern. Aber 1. ist digitale Kommunikation längst kein reines Marketing oder Pressearbeit mehr und 2. ist digitale soziale Arbeit viel mehr als digitale Kommunikation.

Hier ein paar Beispiele: Online-Beratung, der Einsatz von Robotern in der Pflege, Alltagsassistenz, Sprachprogramme, digitales Lernen, Bildungstechnologien für Flüchtlinge, sozialpolitische Interessenvertretung in Foren, Akquise von Fachkräften und so weiter.

Welchen Zweck verfolgt das Barcamp Soziale Arbeit?

Mit dem digitalen Wandel kommt es zu rasanten Veränderungen in der sozialen Arbeit. Das beginnt damit, dass Smartphones, Tablets & Co. von heute auf morgen einfach zum Alltag dazu gehören. Selbst in Schulen sind sie mittlerweile durch den neuen Digitalpakt des Bildungsministeriums salonfähig geworden. Aber viele Beschäftigte lehnen sie ab oder wissen nicht damit umzugehen. 

Gleichzeitig erleben wir einen Kulturwandel in der Arbeitswelt. Denn Akteure vernetzen sich neu. Sind sehr schnell informiert, tauschen sich aus und verbünden sich. Das gilt für alle und bewegt die Gesellschaft extrem, wie wir dieser Tage beobachten können. 

Es kommt hinzu: Den traditionellen Akteur/innen stehen neue Geschäftsmodelle gegenüber. Internetplattformen sind derzeit in allen Branchen der Hit. Das widerspricht der alten Kultur, die in Strukturen und klassischen Hierarchiemodellen denkt.

Mit dem BarCamp möchten wir ein für die soziale Arbeit ungewohntes Veranstaltungsformat probieren, das Einblicke verspricht in diese neue Arbeitsweise. Es ist für diejenigen gedacht, die neugierig sind, mitmachen wollen, auch, wenn sie noch nicht genau wissen wie es gehen kann. Das weiß keiner so genau. Gemeinsam wollen wir uns die Themen ansehen, die uns gerade bewegen.

Warum unterstützt die Caritas diese Veranstaltung?

Die Caritas hat sich das Thema Digitalisierung der sozialen Arbeit auf die Fahnen geschrieben, das wurde beim Caritaskongress in diesem Jahr deutlich. Der deutsche Caritasverband hat eine Digitalwerkstatt eingerichtet mit bundesweiten Modellstandorten. Eine Arbeitsgemeinschaft auf Bundesebene mit den Kollegen Roland Knillmann, Michael Kreutzfelder, Markus Lahrmann, Heike Lammertz, Marc Boos und mit meiner Beteiligung hat sich mit dem Thema befasst – mit dem Ergebnis, dass ein BarCamp eine geeignete Form ist, die Diskussion im Verband zu starten, aber eben nicht im eigenen Dunstkreis zu verharren, sondern durch die Beteiligung von Externen (Studierende, Ehrenamtliche, andere Professionen, Wissenschaft) einen Fortschritt zu erzielen.

Gerade das BarCamp bietet eine Chance, nicht in Projektiritis zu verfallen und die nächste Innovation durchs Dorf zu treiben, sondern Bewährtes weiter zu entwickeln.

Was passiert an den beiden Tagen genau?

Was für uns Wohlfahrtsverbände ungewohnt ist, dass es keinen Keynote-Speaker gibt und keinen, der ein Grußwort hält. Das ist Symbol für die neue Kultur. Menschen finden sich unabhängig von ihrer Position hierarchiefrei zu Themen zusammen. 

Wir arbeiten mit dem, was die Gäste mitbringen, was sie gerade beschäftigt. Ein paar Sessions sind ja schon eingestellt. Aber ich setze auch sehr auf das, was am Tag kommt. Mich persönlich bewegt zum Beispiel derzeit in der sozialen Arbeit nicht nur der digitale Wandel, sondern auch die Stabilität unserer Gesellschaft, die Migrationsfrage, die fehlenden Fachkräfte, die Debatte um die Kinder- und Jugendhilfe, ethische Gesichtspunkte wie die Frage, was bedeutet es den Roboter als neues Familienmitglied im Alltagsleben zu haben und dergleichen mehr.

Wir werden Ansätze entwickeln, die meiner bisherigen Vorstellung nach von einer neuen App bis hin zu neuen Plattformen reichen kann, von Fortbildungskonzepten bis neue Modelle der Interessenvertretung reichen kann. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass wir vieles noch nicht denken können, weil es sich erst im Miteinander ergibt. 

Was geschieht nach dem Barcamp Soziale Arbeit? Wie geht es weiter?

Das BarCamp der sozialen Arbeit verstehe ich als Aufbruch der Caritas und sozialen Arbeit in das digitale Zeitalter.

Für das neue Jahr sind bereits eine Reihe weiterer Veranstaltungen geplant. Vor allem im Fortbildungsbereich wollen wir aufsetzen.

Ein wichtiger Baustein in unserer Fort- und Weiterbildung wird ein Caritas-Unternehmens-Lab sein, ein Labor, in dem die im BarCamp entwickeltem Ideen zu Ende gearbeitet werden können, ein Ort, wo man sich trifft, sich vernetzt und der dazu beitragen soll, dass der Transfer der sozialen Arbeit in das digitale Zeitalter gelingt.

Wir sind gespannt. Vielen Dank für das Interview!

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Zur Person: Sabine Depew ist Leiterin des Bereichs Kinder, Jugend und Familie im Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln und eine der leitenden Personen im Bereich Digitalisierung für die Caritas in Deutschland. Sie bloggt unter „Zeitzuteilen“ über den digitalen Wandel in der sozialen Arbeit.

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